133 / Kommentar: Diskurs statt Polemik

Ein Kommentar von Gernot Wartner

Kurt Krickler, Generalsekretär der HOSI Wien und Enfant terrible der österreichischen LGBT-Bewegung, macht wieder von sich reden. In der Wochenzeitschrift „profil“ polemisierte er in einem Gastkommentar gegen alle, die die Einführung der Homoehe und die legale Möglichkeit gleichgeschlechtlicher Paare, Kinder zu adoptieren, befürworten. „Die Mehrheit der Lesben und Schwulen hat nichts mit Heirat oder gar Familiengründung am Hut“, meint Krickler. Die Medien orientierten sich „in erster Linie an Vermarktbarkeit und Quoten“, die Forderung nach völliger Öffnung der Ehe bedeute aber, an den Bedürfnissen der Homosexuellen „vorbeizufordern“. Deshalb werde dieser mediale Hype auch wieder vorübergehen.

Die Homoehe erlebt derzeit tatsächlich einen weltweiten Boom. Ein Land nach dem anderen öffnete in den letzten Jahren die Ehe – traditionell liberale wie die Niederlande und die skandinavischen Staaten, aber auch tief katholische wie Portugal und Spanien, zuletzt Großbritannien und Frankreich. Und in den USA beschäftigt sich derzeit sogar der Supreme Court mit der Frage, ob same-sex marriage im ganzen Land legalisiert werden soll.

Wenn weltweit Hunderttausende dafür auf die Straße gehen, ist es dann wirklich nur eine vorübergehende Modetorheit, ein von den Medien quotengeil aufgeheizter Hype, wie Krickler meint? Vermutlich nicht, denn viele, die dafür eintreten, wollen dieses Recht gar nicht für sich in Anspruch nehmen – insofern hat Kurt Krickler durchaus auch wieder Recht. Viele sind sogar heterosexuell. Es geht diesen um die Gleichstellung aller BürgerInnen in allen rechtlichen Belangen – um nicht mehr und um nichts weniger.

Worin Kurt Kricklers Polemik aber jedenfalls zu kurz greift, ist die Frage, warum sich diese so unterschiedlichen Menschen weltweit unbedingt das Modell der gewiss spießigen „traditionellen Kleinfamilie“ für erstrebenswert halten, statt moderne, nicht heteronormative, nicht patriarchale Modelle zu propagieren. Gleichstellung ist ja nichts Schlechtes, es ist aber auch kein Wert an sich. Man sollte sich schon anschauen, wobei man gleichgestellt werden möchte. Es steht aber zu befürchten, dass die Zeiten nicht so sind, als dass Gesellschafts- und Familienmodelle kritisch hinterfragt werden. Das hat sich auch bei der Diskussion um die Einführung des EPG in Österreich zuletzt mehr als deutlich gezeigt. Ein prinzipieller Diskurs, wie von den HOSIs in Tirol und Oberösterreich angeregt, kam gar nicht erst zustande; die HüterInnen der Lehre der lediglichen Gleichstellung haben sich in der Dynamik des Mainstream von Anfang an durchgesetzt.

Das Ergebnis ist bekannt. Weder gibt es eine Gleichstellung, noch gleiche Rechte. Ein diskriminierendes Sondergesetz wurde als Erfolg gefeiert und die Öffnung der Ehe zum letzten Ziel der Bewegung stilisiert. Was aber wird besser, wenn alle das gleich schlechte, gleich antimoderne, gleich heteronormative, gleich patriarchale Eherecht in Anspruch nehmen können?

Es gilt die heute gelebten Beziehungsformen und ihr Verhältnis zum Staat neu zu denken. Es gilt Regeln und Möglichkeiten dafür zu finden, dass Kinder in guten und liebevollen Beziehungen groß werden können und dies vom Staat gefördert wird, ohne Ansehen der Person und ihrer sexuellen Ausrichtung. Das und etliches andere mehr sind die Herausforderungen der Familien- und Gesellschaftspolitik. Das sind nicht lediglich die Bedürfnissen der Homosexuellen, sondern gesamtgesellschaftliche Erfordernisse. Dazu Anregungen zu geben, dazu Anstöße zu geben, wäre Kurt Krickler aufgerufen, statt sich in polemischer Empörung zu verlieren.